Diese Frage stellte der österreichische Schriftsteller und Moderator Peter Zimmermann in seiner
Ö1-Radiosendung. Und während er von seinen Groß- und Ur-Großeltern erzählte, schweiften meine Gedanken ab, hin zu meiner Ur-Großmutter.
Sie wurde am 3. Februar 1885 im Ostharz geboren. Als sie 1976 in Neinstedt/Ostharz starb, war ich zwölf Jahre alt. Ich kann mich noch sehr lebhaft an sie erinnern, wie sie stets in schwarze Kleider gewandet, an der Stirnseite unseres Küchentischs saß.
Die letzten Lebensjahre verbrachte sie ans Bett gefesselt in ihrem kleinen Zimmer im Haus meiner Großeltern.
Und da sehe ich mich sitzen, in dem kleinen Sessel in ihrem Zimmer, ihren Geschichten lauschend.
Es waren Geschichten voller Traurigkeit, Entbehrung und wenig Freude.
Als die kleine Ida 1885 geboren wurde, lagen zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise, eine Pandemie, drei Geldentwertungen bei der sie jeweils alle Ersparnisse verlieren wird und der frühe Tod ihres Mannes im
ersten. Weltkrieg vor ihr.
Deutschland war eine Monarchie, Kaiser Wilhelm I. regierte, bevor im Dreikaiserjahr 1888 erst Friedrich III.
und dann Wilhelm II. inthronisiert wurden.
Otto v. Bismarck war Reichskanzler und Theodor Fontane weilte in dieser Zeit mehrfach im Hotel "Zehnpfund" in Thale in der Sommerfrische. Seine Novelle "Cecile" entstand hier.
"Ist dies Quedlinburg?" fragte Cecile. Nein meine gnädigste Frau, dies ist Neinstedt eine kleine Zwischenstation.
Hier ist der Lindenhof, und, was dasselbe sagen will, hier wohnen die Nathusiusse,.
"Die Nathusiusse? Wer sind die?" fragten a Tempo beide Damen. .....
"Nun denn, die Nathusiusse sind viel und vielerlei; sie sind, ohne die Frage damit erschöpfen zu wollen, fromme Leute, literarische Leute, politische Leute, Bücher, Kreuz-Zeitung, Rambouillet-Zucht, alles kommt in der Familie vor....
In ebendiesem Neinstedt wuchs meine Uroma in einfachen Verhältnissen auf. Es ist sehr unwahrscheinlich aber auch nicht unmöglich, daß sie Fontane begegnet ist.
Ohne Neinstedt zu verlassen, lebte sie in vier Staaten, dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem
"Tausendjährigen" Reich und der DDR.
Bei ihren Erzählungen habe ich mich oft gelangweilt, heute bedaure ich das. Doch kann ich mich an allerlei erinnern. Über die große Freude am Ende des ersten Weltkriegs, die nicht lange währte. Ihr Mann kehrte schwer verwundet heim und starb noch 1919...
Wovon sie mir nichts berichtet hat, ist die Spanische Grippe, da bin ich mir ganz sicher.
Obwohl nach unterschiedlichen Schätzungen 20-50 Millionen Menschen starben, hat man davon in Neinstedt nichts mitbekommen. Donnerwetter.
Fortsetzung folgt